Zucht und möglichst naturnahe Ernährung

(c) Erfahrungsbericht von Carina B. / Chinmoppels.de

Wie ich zur (möglichst) naturnahen Ernährung kam

In vielen Zuchten ist reine PHW-Ernährung (= Pellets + Heu + Wasser) Standard. Da ich jedoch schon zusätzlich zu Pellets und Heu einige verschiedene, getrocknete und auch ein paar frische Kräuter verfütterte, bevor ich anfing zu züchten, blieb ich auch dabei.

 

Seinen Lauf nahm das Ganze im Jahr 2011. Im Frühling 2011 stellten sich bei mir die ersten Probleme ein, vermutlich zurückgehend auf Ovator Pellets, die ich bis dato u.a. verfütterte. Meine säugenden Weibchen bekamen helle Zähne (ein gut mit Nährstoffen versorgtes Chinchilla hat dunkel gelbe bis orangene Zähne), Milchmangel und meine zu diesem Zeitpunkt 5 Jungtiere hatten alle einen Wachstumsstopp. Zudem verloren alle meine Chinchillas urplötzlich Gewicht. Als Anhaltspunkt: mein Bestand umfasst immer ungefähr 20 Chinchillas, je nach Anzahl der Jungtiere etwas mehr oder weniger.
Ich stellte so schnell wie möglich auf Berkel Pellets um, getrocknete Kräuter bekamen meine Chinchillas zusätzlich nach wie vor. Erst schien es bergauf zu gehen und zumindest die bereits beschriebenen Symptome schienen behoben zu sein. Doch im Dezember 2011 erlitten meine Chins und ich einen herben Rückschlag, diesmal sogar noch schlimmer.

 

Eine neue Lieferung der Berkel-Pellets war bei mir eingetroffen und sobald ich anfing, diese Pressung zu verfüttern, ging es wieder los. Die Pellets wurden zerbröselt, teils komplett verweigert und alle Chins zeigten Gewichtsverluste. Zudem starben mir die schwächsten nur so weg. So starben erst 2 Babies, dann deren Mutter, die übrigens starken Milchmangel hatte, und dann starb noch ein weiteres, älteres Weibchen. Letzteres „stank“ die letzten Tage und auch der Urin dieses Tieres roch verdächtig, ich vermute die Maus hatte einen Nieren- und/oder Leberschaden. Da das Tier aber genau an Weihnachten verstarb, war eine zeitnahe Obduktion nicht möglich, somit bleibt die genaue Todesursache ungeklärt. Die anderen Chins hatten plötzlich alle Matschköttel und reagierten sehr empfindlich auf Beigaben, die sie eigentlich schon lange kannten. Auffällig war auch ein völlig verändertes Trinkverhalten aller meiner Chins. Plötzlich wurde deutlich mehr Wasser getrunken, als jemals zuvor.
Ende Dezember 2011. Nun stand ich da, meinen Chins ging es nicht gut und ich wusste nicht, was tun. Von anderen Züchtern hatte ich Berichte gelesen zu Pellets von angora-chinchilla aus Belgien und bestellte diese dann auch gleich. Meine ersten Beobachtungen waren, dass diese Pellets wie Leckerlies direkt aus der Hand gefressen wurden. Einen Tag nach der ersten Fütterung mit diesen Pellets hatten meine Chinchillas alle wieder festen und dunkleren Kot. Innerhalb der ersten Woche nach Berkel hatte ich bei allen Chinchillas Zunahmen zwischen 20g und knapp über 50g. Nach einem Monat waren die ersten Weibchen wieder tragend oder zumindest wieder in der Hitze gewesen und die Böcke balzten und deckten freudig – Stand von Ende Januar bis Mitte Februar 2012.
Natürlich fuhr ich aber die Beigaben parallel dazu gewaltig hoch und so kam ich dann zur (möglichst) naturnahen Ernährung.

 

Einführungsphase in die möglichst naturnahe Ernährung

Nachdem ich nun also die belgischen Pellets verfütterte und es langsam, aber sicher bergauf ging, machte ich gleich ab ca. Mitte Januar 2012 eine Kur zur Darmsanierung bei meinen Chinchillas. Dies hauptsächlich durch die Gabe von Probiotika; zeitgleich machte ich eine „Entgiftungskur“ mit getrockneten Pflanzen wie unter anderem Birke, Distel und Brennnessel.
Außerdem wurde der Speiseplan meiner Chins erweitert um Topinamburkraut, Mariendistelkraut, Tagetesblüten, Birkenblätter, Maulbeerblätter, Weißdornblätter, Weidenblätter, Himbeerblätter, Brombeerblätter, Hibiskusblüten, Kornblumenblüten, Königskerzenblüten, Rose, Rosenblüten, Sonnenblumenblüten, Echinacea, grüner Dinkel, grüner Hafer, Löwenzahn, Brennnessel und Brennnesselwurzeln, um nur einige Beispiele zu nennen, die bei mir regelmäßig verfüttert werden.
Damit ich aber nicht nur auf Pellets als einziges Kraftfutter angewiesen sein musste, führte ich zusätzlich Saaten ein. Ich begann mit Leinsaat, Negersaat und Hirse und erweiterte langsam auf immer mehr Saaten. Mittlerweile bekommen meine Chins alle 2 Tage eine eigene Saatenmischung bestehend aus Buchweizen, Schwarzkümmel, Kardi, Leindotter, Gurkenkerne, Mariendistelsamen, Zucchinikerne, Basilikumsamen und Leinsaat. Erweiterbar wäre diese Mischung selbstverständlich noch.
Mit dem Beginn des Frühlings 2012 begann ich, regelmäßig Frischfutter für meine Chinchillas zu besorgen. Da ich hauptsächlich den eigenen Garten dafür plündere, gibt es hauptsächlich Löwenzahn, Rosenblüten und -äste, Hagebutten, Hasel mit und ohne Blätter, Ampfer, verschiedene Disteln, Stachellattich, Kornblume, Ackerschachtelhalm, stinkender Storchschnabel (wobei dieser nicht sonderlich beliebt ist), Wicke, Kirschäste, Gundermann, Rotkleeblüten (Vorsicht vor Aufgasungen bei Unverträglichkeit!), Zitronenmelisse, Zitronenthymian, Zitronenbasilikum, echte Zaunwinde, Beit- und Spitzwegerich, Lepidus, Wiesen-Bärenklau, Topinambur und Erdbeerblätter.

Im Winter gibt es entsprechend weniger Frischfutter. Meistens verfüttere ich Rote Beete, Topinamburknolle, Apfel und Salatherzen zu getrocknetem Grün, Saaten und Pellets. Von letzteren werden auch noch alle paar Tage die Näpfe komplett leer gefressen trotz recht großem Angebot an „Ausweichmöglichkeiten“, wenn man es so nennen will. Von anderen Züchtern hörte ich, dass Ovator und Berkel scheinbar nicht mehr angerührt wird, sobald die Chins auf genug anderes Futter ausweichen können.

 

Gerade als Züchter ist dabei natürlich besondere Vorsicht geboten, denn manche Pflanzenstoffe wirken abtreibend oder hemmen den Milchfluss. Daher sollte man sich genau informieren und ggf. einige Pflanzen nur an Chinchillas verfüttern, die nicht im Zuchteinsatz sind. Eine langsame Gewöhnung an Frischfutter wird außerdem vorausgesetzt, um Verdauungsprobleme zu vermeiden.

 

Beobachtungen bei (möglichst) naturnaher Ernährung von Zuchttieren

Als erstes beobachtete ich nach wenigen Wochen, dass meine Chins im Gewicht zulegten, sogar Alttiere von 3 Jahren. Frischfutter wird gern und viel gefressen, außerdem werden sämtliche Nageäste gern stundenlang beknabbert. Bei meinen Weibchen konnte ich feststellen, dass sie sehr regelmäßig in die Hitze kommen. Die durchschnittliche Wurfgröße liegt in meiner Zucht bei 2 Jungen und besonders im Sommer, wenn es viel Frischfutter gibt, haben meine Babies allesamt in den ersten 24 Stunden zugenommen. Die höchste Zunahme eines Babies innerhalb der ersten 24 Stunden lag bei 6g. Die Jungtiere wachsen gut (verdoppeln ihr Gewicht durchschnittlich in ca. 14 Tagen) und sind von klein auf an getrocknetes, frisches und Saaten neben Pellets und Heu gewöhnt, somit können Unverträglichkeiten im neuen Zuhause relativ gut umgangen werden, denn eine recht große Auswahl an einzelnen Nahrungskomponenten sind sie ja bereits gewöhnt und die künftigen Besitzer können einfach auf diese Auswahl zurück greifen oder bei Bedarf vorsichtig erweitern.
Sehr auffällig ist auch das Verhalten meiner Zuchtböcke. Ist auch nur ein Weibchen im Raum hitzig, dann fangen fast alle Böcke an, lautstark zu balzen und zu zwitschern und sind allgemein sehr deckfreudig.
Da ich im Winter aber natürlich nicht so eine große Auswahl an Frischfutter bieten kann, wie im Sommer, gibt es hier kleine Unterschiede zwischen Winter und Sommer. Wie ich feststellte, haben die Weibchen im Winter zwar auch ausreichend Milch und bekommen Mehrlingswürfe, jedoch nehmen die Babies aus Mehrlingswürfen im Winter nicht ganz so schnell zu, wie im Sommer. Tendenziell haben die Babies im Winter innerhalb der ersten 24h „nur“ ca. 1-3g im Vergleich zu ca. 3-6g im Sommer pro Baby zugenommen. Ich vermute, das liegt daran, dass durch das Frischfutter im Sommer von den Müttern mehr Flüssigkeit aufgenommen wird und dass manche Pflanzen, wie insbesondere frischer Löwenzahn, den Milchfluss fördern und die Weibchen daher tatsächlich mehr Milch produzieren bzw. diese auch schnell einschießt und nicht etwa erst 2 Tage nach der Geburt der Jungtiere.

 

An dieser Stelle möchte ich mögliche negative Aspekte nicht außen vor lassen. Ich persönlich habe bisher keine negativen Erfahrungen mit dieser Form der Chinchillaernährung gemacht. Sollte sich das jedoch ändern, dann werde ich auch darüber ausführlich berichten. Wichtig insbesondere bei (möglichst) naturnaher Ernährung von Zuchttieren ist meiner Meinung nach, dass man eine große Auswahl an Komponenten anbietet und vor allem dann, wenn keine Pellets zusätzlich verfüttert werden, den Kraftfutterbedarf oder auch allgemein den Nährstoffbedarf der Zuchttiere ausreichend abdecken kann. Ich persönlich halte es deshalb so, dass meine Chinchillas von getrockneten und frischen Pflanzen und außerdem von Pellets so viel bekommen, wie sie möchten.